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Temperatureinfluss

Den Temperatureiunfluss korrigieren

Bei größeren Werkstücken und höheren Genauigkeitsforderungen ist der Einfluss der Temperatur abzuschätzen bzw. zu korrigieren [13]. Liegt keine Temperaturkompensation vor, ist das Messen meist nur unter Messraumbedingungen sinnvoll. Das Abschätzen der Temperatureinflüsse durch den Anwender ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Dabei sind die Einflussgrößen im Messgerät, besonders das Ausdehnungsverhalten der Maßstäbe, zu berücksichtigen. Diese sind dem Anwender in der Regel nicht exakt bekannt.

Abschätzung des Temperatureinflusses ist wichtig

Ein Sonderfall liegt vor, wenn das Material der Gerätemaßstäbe bezüglich des Ausdehnungskoeffizienten weitgehend mit dem des Messobjekts übereinstimmt. Das ist z. B. bei Stahlmaßstäben und Stahlwerkstücken grob der Fall. Wenn sichergestellt ist, dass die Temperaturen an den Maßstäben und am Werkstück weitgehend übereinstimmen, ist nicht zwingend eine Temperaturkorrektur erforderlich, um bei Temperaturen abweichend von 20 °C messen zu können. Bei größeren Temperaturabweichungen kommen jedoch auch bei solchen Geräten andere Einflüsse z. B. durch Ver -änderung der Gerätegeometrie hinzu, die zu Messabweichungen führen können.

Temperaturkompensation reduziert den Einfluss

Wenn das Messgerät über eine integrierte Temperaturkompensation verfügt und die Werkstücktemperatur berücksichtigt wird, kann weitgehend temperaturunempfindlich gemessen werden. Bei temperaturkorrigierten Geräten werden verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Einflüsse der Temperatur auf den Messprozess zu reduzieren. Zu diesen Maßnahmen können gehören:

  • Temperaturmessung an den Maßstäben und interne Längenkorrektur oder alternativ Maßstäbe mit thermischer Ausdehnung nahe null ohne Korrektur
  • Erfassung der Werkstücktemperatur und Korrektur der temperaturbedingten Ausdehnung des Messobjekts unter Berücksichtigung seines Ausdehnungskoeffizienten
  • Verwendung thermisch besonders geeigneter Werkstoffe für den Geräteaufbau z. B. mit guter Wärmeleitung oder geringer Wärmeausdehnung
  • Korrektur des thermisch bedingten Geräteverzugs
  • thermisch isolierter Aufbau

Messen unter Fertigungsbedingungen

Durch diese Maßnahmen kann der Temperatureinfluss so weit reduziert werden, dass auch unter Fertigungsbedingungen mit ausreichend geringer thermisch bedingter Messunsicherheit gemessen werden kann. Zu beachten ist, dass bei Geräten mit temperaturstabilen Maßstäben (Ausdehnungskoeffizient nahe null) eklatante Messabweichungen in der Größenordnung der linearen Wärmeausdehnung des Messobjekts entstehen können, wenn die Korrektur der Werkstückausdehnung nicht korrekt erfolgt.

Ausdehnungskoeffizient muss bekannt sein

Der für die Temperaturkorrektur erforderliche Ausdehnungskoeffizient des Werkstücks wird meist Tabellen entnommen. Bei diesen Werten ist üblicherweise mit einer Abweichung in der Größenordnung von 10 % des Nominalwerts zu rechnen. Reicht dies für die Temperaturkorrektur nicht aus, muss der Koeffizient am Werkstück aufwendig kalibriert werden. Hierbei werden Kalibrierunsicherheiten in der Größenordnung von 0,1 % des Nominalwerts erreicht. Die Messabweichung AT der Temperatur T kann je nach Qualität und Art des Temperaturmesssystems zwischen 0,5 K und 0,05 K liegen.

Aus Unsicherheitsbetrachtungen zur Temperaturkorrektur [13] und der Abschätzung möglicher maximaler Messabweichungen der Längenmessung bei abweichender Werkstück bzw. Messraumtemperatur ergibt sich, dass der Einfluss des Ausdehnungskoeffizienten sehr dominant ist (Abb. 68). Die Auswirkungen verschiedener Vorgehensweisen auf die zu erwartenden Messabweichungen werden nachfolgend anhand von vier Fällen diskutiert:

  • Ohne eine Temperaturkompensation wirkt sich die Differenz Aαm zwischen den Ausdehnungskoeffizienten der Gerätemaßstäbe αm und des Werkstücks αw aus. Üblich ist der Einsatz von Gerätemaßstäben aus Stahl oder Glas. Die Messabweichung AL für die Bezugslänge L0 ergibt sich aus:

    AL = L0 · Aαm · ΔT, mit ΔT = T – 20 °C

  • Beim Messen von z. B. Stahl-, Aluminium- oder Kunststoffteilen treten hierdurch sehr unterschiedliche Messabweichungen auf. Aufgrund der geringen Differenz zwischen den Ausdehnungskoeffizienten von Gerätemaßstäben und Stahlteilen sind für letztere in einem relativ großen Temperaturbereich relativ geringe Messabweichungen zu erwarten. Bei Kunststoffteilen treten hingegen schon bei geringen Temperaturabweichungen unakzeptable Messabweichungen in der Größenordnung von 0,1 mm auf. Ein brauchbares Messergebnis kann praktisch nur bei der Bezugstemperatur 20 °C ± 1 K erzielt werden.
Ausdehnungskoeffizient muss bekannt sein
<p>Abb. 68: Temperaturbedingte maximale Messabweichung bezogen auf die Messlänge für die Materialien Stahl (Ordinate blau), Aluminium (Ordinate grün) und den Kunststoff POM (Ordinate rot) bei verschiedenen Verfahren bzw. Parametern der Temperaturkorrektur: a-c) ohne Temperaturkorrektur, Gerätemaßstäbe aus Glas; d-f) mit Temperaturkorrektur für die Materialien entsprechend jeweiliger Ordinate, Gerätemaßstäbe mit Ausdehnung null</p>

Geräteverhalten wird vernachlässigbar

  • Bei einer Temperaturkorrektur wird das Maßstabsverhalten sehr gut korrigiert und kann meist vernachlässigt werden. In Verbindung mit Gerätemaßstäben aus z. B. Spezialkeramik (Ausdehnungskoeffizient nahe null) entfällt der Maßstabseinfluss fast vollständig und die maximalen Messabweichungen ergeben sich praktisch aus den Abweichungen bei der Temperaturmessung des Werkstücks AT und der Bestimmung des Ausdehnungskoeffizienten Aαw abhängig von der Abweichung von der Bezugstemperatur (ΔT = T – 20 °C) und dem Werkstückausdehnungskoeffizienten αw:

    AL = L0 · (αw·AT + ΔT · Aαw)

Einfache Temperaturkompensation bringt Vorteile

Selbst mit relativ grober Temperaturmessung sind die Werkstücke relativ unabhängig von der Temperatur messbar, allerdings nur mit relativ großen verbleibenden Messabweichungen. Die Abweichungen nehmen proportional zum Ausdehnungskoeffizienten zu (Abb. 68d). Eine zusätzliche Kalibrierung des Ausdehnungskoeffizienten bringt keine nennenswerte Verbesserung und kann somit entfallen. Diese Vorgehensweise genügt in der Praxis in vielen Fällen und ist gegenüber dem Messen ohne Temperaturkompensation meist klar im Vorteil.

Genaue Temperaturkompensation ist optimal

  • Wird eine sehr genaue Temperaturmessung eingesetzt, verringern sich die verbleibenden Messabweichungen erheblich (Abb. 68e). Ist der Ausdehnungskoeffizient jedoch wenig genau bekannt, wird dieser Effekt bei großen Abweichungen von der Bezugstemperatur zum Teil aufgehoben. Diese Vorgehensweise ist der allgemein zu empfehlende Fall bei normalen Temperaturbedingungen und Genauigkeitsanforderungen.

Kalibrierung des Ausdehnungskoeffizienten meist nicht notwendig

  • Nur bei gut bekanntem Ausdehnungskoeffizienten und genau gemessener Temperatur ist die Messabweichung zuverlässig sehr gering, auch wenn die Temperatur des Messobjekts sehr stark von der Bezugstemperatur abweicht (Abb. 68f). Diese Vorgehensweise ist allerdings wegen der Kalibrierung des Ausdehnungskoeffizienten sehr aufwendig und wird nur in Sonderfällen eingesetzt.

Nützliche Maßnahmen

Für genaue Messungen oder um den Einfluss starker Temperaturschwankungen zu vermindern sind zusätzlich folgende Maßnahmen nach Bedarf anzuwenden:

  • Einhausung bei starken Temperaturschwankungen
  • keine Zugluft oder direktes Anblasen des Koordinatenmessgeräts
  • wenig Wärmequellen in unmittelbarer Umgebung
  • möglichst großer Abstand zu den Wänden
  • Wärmeisolation von Fußboden und Wänden
  • keine direkte Einstrahlung durch Sonne und Beleuchtung
  • elektrische Ausrüstung des Koordinatenmessgeräts und Beleuchtung im 24-Stunden-Betrieb
  • Wärmeausgleich der Messobjekte vor dem Messen (Luftdusche)
  • Taster und Verlängerungen aus thermisch unempfindlichen Materialien
  • kurze Messzeiten für geringe Drift, alternativ wiederholtes Einmessen des Bezugssystems

Bei besonders hohen Genauigkeitsanforderungen kann trotz aller vorher genannten Maßnahmen auf Klimaräume mit konstanter Temperatur (räumlich und zeitlich) nicht verzichtet werden. Die entsprechenden Anforderungen für die Einhaltung der Gerätespezifikation sind den Datenblättern der Koordinatenmessgeräte zu entnehmen.