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Messende taktil-optische Sensoren

Präzisionsmessung von Mikrostrukturen

Herkömmliche taktile Sensoren haben gemeinsam, dass die Signalübertragung vom Antastformelement über einen starren Schaft zum eigentlichen Sensor (Schalter, Piezoelement) erfolgt. Da sich jede Durchbiegung des Tasters auf das Messergebnis auswirkt, ist man bestrebt, möglichst steife Taststifte zu verwenden. In Verbindung mit der verwendeten Sensorik führt dies zu relativ großen Abmessungen und Antastkräften (s. S. 102 ff. Antastkraft). Praktisch liegt die untere Grenze für den Tastkugeldurchmesser bei einigen 0,1 mm und für die Antastkraft bei ca. 10 mN. Für das Messen kleiner oder empfindlicher geometrischer Merkmale sind solche Tastsysteme somit nur bedingt geeignet. Auch das Reduzieren der Baugröße bei Beibehaltung des Prinzips löst diese Probleme nicht, weshalb sich solche Mikrotaster in der Praxis nicht durchgesetzt haben.

<p>Abb. 30: Funktionsprinzip des Werth Fasertasters®: Einkugeltaster (links): Die Bewegung des Messobjekts (a) führt zur Antastung und Auslenkung ΔL vom Sensornullpunkt in der Bildebene der Kamera (b). Zweikugeltaster (rechts): Auch beim Antasten in größerer Tiefe erfolgt keine Abschattung der Kugel durch das Objekt.</p>

Taktil-optisches Funktionsprinzip messend − Nachteile konventioneller Taster werden vermieden

Die beschriebenen Nachteile werden bei messenden taktil-optischen Sensoren dadurch umgangen, dass der Tasterschaft lediglich zum Positionieren der Tastkugel genutzt wird. Die eigentliche Messung der Position der Tastkugel erfolgt beim Werth Fasertaster® (WFP: Werth Fiber Probe®) direkt durch in das System integrierte optische Sensoren. Die Durchbiegung des Schafts ist daher prinzipbedingt nicht im Messergebnis enthalten.

Die Bestimmung der Auslenkung der Tastkugel in lateraler Richtung zum Schaft (x, y) erfolgt mit einem Bildverarbeitungssensor (Abb. 30 links). Hierzu wird dem Antastformelement (Glaskugel) über den Glasfaserschaft Licht zugeführt. So kann im Selbstleuchtmodus gemessen werden (Abb. 31). Es ist auch möglich, den Fasertaster im Durchlichtmodus zu betreiben. Mit einer nahe oberhalb der eigentlichen Tastkugel angeordneten Marke (z. B. zweite Kugel) können Abschattungen des Bildverarbeitungsstrahlengangs durch das Messobjekt vermieden werden (Abb. 30 rechts).

Durch die Aufnahme des dünnen Tasterschafts z. B. in einem Metallröhrchen entsteht ein in Schaftrichtung steifer zweidimensionaler Fasertaster. Auf diese Weise wird auch erreicht, dass die Tastkugel trotz geringer Steifigkeit des Schafts gut positioniert werden kann (Abb. 32). Mit einem derartigen Fasertaster lassen sich auch dreidimensionale Messungen durchführen, sofern die anzutastenden Objektoberflächen mit der Fasertasterachse einen ausreichend kleinen Winkel (optimal bis 45°) bilden.

Taktil-optisches Funktionsprinzip messend − Nachteile konventioneller Taster werden vermieden
<p>Abb. 31: Beispiele für das Messen mit dem Werth Fasertaster® im Selbstleuchtmodus: a) Dieseleinspritzdüse mit 200 µm Durchmesser, Eintauchtiefe 0 mm; b) Eintauchtiefe −0,6 mm; c) Flankenlinienmessung an einem Zahnrad; d, e) Messung einer Bohrung mit Grat; f) Beispiel für das Messen im Durchlichtmodus: selbstzentrierendes Messen eines Zahnrads</p>

Piezoschwinger: kein Stick-SlipEffekt

Aufgrund des Unterschieds zwischen Haft- und Gleitreibung kann beim Scannen, insbesondere mit sehr langem und dünnem Tasterschaft, der Stick-Slip-Effekt auftreten. Dadurch wird die Tastkugel mit ungleichförmiger Geschwindigkeit und Punktedichte entlang der Oberfläche bewegt. Durch ein integriertes Piezoelement wird der Taster während der Scanbewegung mit geringer Frequenz entlang der Schaftrichtung bewegt. Hierdurch lässt sich das Auftreten der Haftreibung vermeiden und ein gleichförmiger Scanvorgang gewährleisten.

Piezoschwinger: kein Stick-SlipEffekt
<p>Abb. 32: Messung eines Mikrozahnrads mit dem Werth Fasertaster® – die Faser wird in einer Metallkanüle geführt.</p>

Messen kleinster Merkmale

Typische Anwendungen für den Fasertaster sind Bohrungen und Schlitze mit Maßen unter 0,5 mm bis einigen 10 µm, Lichtwellenleiterstecker, Mikrozahnräder (Modul ca. 0,1 mm, s. Abb. 32), Spinndüsengeometrien, Zahnimplantate und − in Verbindung mit einem Schwenkgelenk − Kühlbohrungen an Teilenvon Flugzeugtriebwerken (Abb. 17). Zur Messung von Düsengeometrien von Einspritzsystemen für Motoren werden die Werkstücke auf einer Dreh-Schwenk-Achse mikrometergenau im Messvolumen positioniert. Mit der Bildverarbeitung werden die ca. 0,1 mm kleinen Bohrungen »eingefangen«. Die eigentliche Messung der Bohrungen erfolgt dann mit dem Fasertaster. Dieser bestimmt sowohl die Form der Bohrlöcher als auch deren räumliche Lage. Ähnlich können auch Gänge von Mikrogewinden im Normalschnitt gemessen werden. Der Fasertaster ist außerdem für Rauheitsmessungen geeignet [6].

Das bereits oben erwähnte Prinzip des selbstzentrierenden Messens mit messenden Tastsystemen wird in Abbildung 31f am Beispiel einer Zahnlückenmessung mit dem Fasertaster gezeigt. Ist die kalibrierte Tastkugel in eine Zahnlücke positioniert, ergibt sich aus dem Messwert des Fasertasters und der Sensorposition die Position der Kugelmitte und somit der Lücke am Zahnrad. Aus mehreren Positionen in verschiedenen Zahnlücken können dann z. B. das Zweikugelmaß oder die Teilungsabweichung des Zahnrads bestimmt werden.

Messen kleinster Merkmale
<p>Abb. 17: Schwenkbarer Sensor mit Bildverarbeitung und Fasertaster zum Messen von Kühlbohrungen an Triebwerksteilen (kleine Teilabbildung)</p>

Fasertaster 3D

Durch Integration eines zusätzlichen optischen Abstandssensors kann auch die Tasterauslenkung in Schaftrichtung gemessen werden. Um ein annähernd isotropes Antastverhalten in allen drei Achsen zu erzielen, wird der Taststift in einem ringförmigen Federelement aufgenommen.

Messen in allen Betriebsarten

Der Werth Fasertaster® 3D (Abb. 33 links) kann in allen Betriebsarten (z. B. punktweises Messen, Scannen mit und ohne vorgegebene Bahnen) genutzt werden, die auch für die herkömmlichen messenden Taster zur Verfügung stehen. Anwendungen sind z. B. das Messen von Mikrooptiken (Linsen für Mobiltelefone) und Gummiformteilen sowie das Scannen von schräg verzahnten Mikrozahnrädern mit einer Drehachse.

Messen in allen Betriebsarten
<p>Abb. 33: Werth Fasertaster® 3D: a) Fasertasterelement; b) Werkstück; c) Wechseleinheit mit d) flexiblem Halteelement; e) Abstandssensor (z); f) Bildverarbeitungssensor (x, y); g) Wechseleinheit mit Zweikugelausführung</p>

Kleine Kugelradien und geringe Antastkräfte

Zusammenfassend die wesentlichen Vorteile der Fasertaster: Durch das direkte Messen der Position des Tastelements kann dieses und der Schaft nahezu beliebig klein – bis zu einem Kugelradius von 10 µm als Serienprodukt (Stand 2019) − ausgeführt werden. Aufgrund der geringen Durchmesser der Tasterschäfte entstehen nur sehr kleine Antastkräfte (bis zu wenigen Mikronewton, s. S. 102 ff. Antastkraft). Dadurch ist ein Einsatz an besonders berührungsempfindlichen oder leicht verformbaren Messobjekten möglich. Für solche Anwendungen kann der Einsatz von Fasertastern mit größeren Tastkugeln sinnvoll sein. Durch die hohe Biegeelastizität der Schäfte besteht auch im rauen Betrieb in der Fertigungsumgebung kaum das Risiko des Abbrechens. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Bildverarbeitung und der Abstandssensor auch zum direkten optischen Messen der Werkstückgeometrie genutzt werden können.

Multisensorik: Taster, Bildverarbeitung, Laser

Der Fasertaster wird währenddessen in einem Taststiftwechsler abgelegt. Ein so ausgestattetes Gerät kann ohne zusätzliche Sensoren als optisch-taktiles Multisensor-Koordinatenmessgerät eingesetzt werden. Ein Versatz der Messbereiche zwischen den verschiedenen Sensoren entfällt. Bedingt durch sein Wirkungsprinzip gehört der Fasertaster neben dem Bild verarbeitungssensor zu den derzeit genauesten Sensoren für Koordinatenmessgeräte. Seine Antastabweichung beträgt (Stand 2019) wenige 0,1 µm (Abb. 34).

Multisensorik: Taster, Bildverarbeitung, Laser
<p>Abb. 34: Antastabweichung des Werth Fasertasters® 3D</p>